Präsentation des Buches „Wir im Geisaer Amt - Land, Leute, Lebensart"
(v.l.n.r.) Manfred Dittmar, Johannes Henning, Bruno Leister, Erwin Schmelz, Maria Hruschka. Nicht auf dem Bild sind weitere Autoren und Mitarbeiter des Vorstands bei der Realisierung des Buchprojekts: Michael Kiel, Willi Ritz, Gudrun Uhlig.
Eine überaus gelungene Buchvorstellung erlebten die Besucher des voll besetzten Gangolfisaals des Schlosses in Geisa, denn der Heimat- und Geschichtsverein „Geisaer Amt“ e. V. stellte hier seinen von vielen Bürgern schon lange erwarteten ersten Band von „Wir im Geisaer Amt – Land, Leute, Lebensart“ vor. Dazu begrüßte Johannes Henning, Vorsitzender des Vereins, neben den zahlreichen Gästen auch Bürgermeisterin Manuela Henkel, Thomas Imhof vom Imhof Verlag, den Präsidenten des Rhönklubs, Jürgen Reinhardt, den Vorsitzenden des Vereins zur Förderung der Heimat- und Kulturgeschichte Rasdorfs, Wendelin Priller, sowie Vertreter der befreundeten Vereine „Heimatverein Kohlbachtal“ und des Fotozirkels Geisa aus der Deschauer Galerie. Selbst Walter Höhn, vielseitiger Buchautor aus Wölferbütt, hatte den Weg nach Geisa gefunden.
In seinen Vorbemerkungen freute sich Henning über die vielen Besucher und erklärte eingangs die zu bewältigenden Schwierigkeiten beim Zustandekommen der Schrift bis zur Drucklegung und bedankte sich bei den vielen Autoren, Fotografen, Helfern und den Fördermittelgebern von der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raums.
Thomas Imhof schloss sich an und erinnerte an die schon jahrelange gute Zusammenarbeit des Vereins mit dem Verlag und vor allem an das Standartwerk: „Geisaer Amt Kirchen, Kreuze, und Bildstöcke“ sowie das jüngst erschienene Buch: „Vom Schlummer erwacht“. Aber nun freue er sich, ein weiteres gut aufgemachtes Druckerzeugnis übergeben zu können und wünschte den Lesern bei der Lektüre neben einer spannenden Unterhaltung, auch viel Freude und Spaß bei den Erinnerungen an die Kuriositäten alter Zeiten.
Aber wie es überhaupt dazu kam, eine solches Werk in Angriff zu nehmen, musste nun die Bürgermeisterin erklären. Sie habe in der schrecklichen Coronazeit, so Manuela Henkel, die fixe Idee gehabt, man könne doch die Bürger animieren, in der jetzt zur Verfügung stehenden vielen freien Zeit, ihre besonderen Erlebnisse aufzuschreiben, um die Krise besser bewältigen zu können, und daraus könne dann ein Buch entstehen. Das wäre sicher eine echte Aufgabe für den Geschichtsverein. Was sich aber dann aus dieser Idee entwickelte, sei schon lange kein Zeitvertreib mehr gewesen, resümierte sie. Und Henning ergänzte, erst lange Wartezeiten bis die ersten Einsendungen kamen, die sich jedoch dann im Laufe der Zeit häuften, Rückfragen und Besprechungen wegen inhaltlicher Probleme nur per Telefon, kaum Redaktionssitzungen möglich und dann noch gravierende Einschnitte bei der Finanzierungsplanung. Aber nun habe sich doch noch alles zum Guten gewendet, und die aufgebrachten Mühen und Zeitinvestitionen gelohnt, was alle Beteiligten mit großer Freude erfülle. Das sind vor allem 37 Autoren mit 70 Artikeln auf 272 Textseiten.
In der nun folgenden Buchvorstellung führte Johannes Henning in seiner gekonnten professionellen Art durch das Programm, setzte Akzente und verstand es meisterhaft, die Inhalte und Besonderheiten der einzelnen Kapitel ins rechte Licht zu setzen. In interessanter und abwechslungsreicher Folge dargeboten, waren trotz der dreistündigen Veranstaltungsdauer bei den aufmerksamen Gästen keine Ermüdungserscheinungen zu erkennen. Eingeblendete Bilder und Schrifttafeln unterstützen den Redner bei seinen Erläuterungen, kurze Lesetexte einiger Autoren lockerten die Buchvorstellung auf und animierten die Zuhörer zum privaten Weiterlesen, wenn es beim erreichten Spannungsbogen hieß: „Wie die Sache ausgegangen ist, erfährt man auf der jeweils genannten Seite“.
Zum ersten Kapitel „Ansichten von A bis Z“ erfuhr man, dass der Fotograf Lorenz Krah an 86 Tagen mit seiner Drohne unterwegs war und dabei 1400 km zurückgelegt hatte. Das Kapitel „Brauchtum“ gliedert sich in religiöses Brauchtum, Fastnacht und Kirmes, wobei jeweils unter anderem auch auf die Besonderheiten der einzelnen Orte eingegangen wird. Im dritten Kapitel geht es um „Lehrreiches“ über das dörfliche Allgemeingut, über Bauernhöfe und Auszugsverträge zwischen Jung und Alt sowie die Schäferei. Eine weitere Rolle spielt das Gerichtswesen im Allgemeinen, aber auch speziell Gerichtsverhandlungen über unangemessene Liebschaften, Diebstahl und Beleidigungen, die mit ernsthaften Konsequenzen bestraft wurden. Bruno Leister hatte dazu viele Beispiele gesammelt und einige Gerichtsverhandlungen dazu vorgetragen. Vorgestellt wurden auch die beiden Jesuiten Athanasius Kircher und Eugen Büchel in ihren unterschiedlichen Wirkungskreisen. Zwei große Themen werden im Kapitel „Tragisches“ abgehandelt; einmal die jüdische Geschichte im Geisaer Amt und zum anderen Flucht und Vertreibung als Folge des Zweiten Weltkriegs und als staatliche Zwangsmaßnahmen zu DDR-Zeiten. Zum zweiten Themenkreis gehören sieben Vertriebenengeschichten von Familien aus dem Sudetenland, Pommern und Kroatien. Dabei handelt es sich um die Familien Josef Tschaut, Josef Stabler, Mayek und Janie, die Familien Tosenberger und Günther Kath sowie um Resi Schmutzler. Von einigen Betroffenen las Johannes Henning Ausschnitte von deren furchtbaren Flucht- und Vertreibungserlebnissen. „Grenzwertiges“ beschäftigt sich mit den Geschehnissen an der innerdeutschen Grenze. Viele Autoren, darunter auch etliche Schüler, kommen in diesem Kapitel zu Wort und berichten oder erzählen vom Leben an und mit der Grenze, so zum Beispiel von der Liebesgeschichte einer „starken Wiesenfelderin“ zwischen den Grenzzäunen, die ihresgleichen sucht, weiterhin einem Rückblick auf den Zusammenhalt der Mitglieder des Heimatkreises Thüringische Rhön „Geisaer Amt“, das Schmuggeln von Waren des täglichen Bedarfs von West nach Ost oder umgekehrt sowie die Bedeutung von Point Alpha - einem Relikt des Kalten Krieges.
Viele Beispiele gestalten ein rundes Bild und lassen Einzelschicksale präsent werden. Nicht zu kurz kommen auch humorvolle Episoden aus dem Alltagsleben. Einige Autoren lasen nun oder berichteten über ihre Interviews mit betroffenen Bürgern. Walter Schönfeld hatte dazu viele Befragungen durchgeführt und bedankte sich für die freimütigen und offenen Gespräche. Dieter Kiel berichtete in eigener Sache sehr ausführlich, wie 1987 Spuren am 500-Meter-Signalzaun einen Großalarm im Geisaer Amt auslösten. Olaf und Kai Batz erzählten über ihre Empfindungen bei der ersten Trabbifahrt mit Vaters Auto in den Westen. Maria Hruschka las, wie ihr Vater bei einem Schmuggelgang ein betrunkenes Schweinchen gegen Fensterfarbe eintauschte, und Angela Zimmermann hatte mit dem Aufkleber „Let´s go West“ auf ihrem Moped für Aufregung mit Konsequenzen bei einem NVA-Offizier gesorgt, obwohl das Ganze nur eine Zigarettenwerbung war. Plötzlich rief sie: „Halt, ich habe da ja noch etwas“ und überreichte dem Vorsitzenden eine Spende ihres Studios für die Arbeit des Geschichtsvereins.
Zu Wort meldete sich nun Wolfgang Joest aus Siegen. Während der Teilung Deutschlands sei er in der Rhön gewesen und habe die wunderschöne Landschaft lieben gelernt. Nicht begreifen konnte er die unmenschlichen Grenzsicherungsmaßnahmen. Später lernte er Dieter Kiel kennen und stellte ihm seine Aufnahmen von der Grenze aus dem Jahre 1986 zur Verfügung, die Kiel zusammen mit Andreas Waitz in einem Video: „Geisaer Amt-Grenzland“ verarbeitete, welches dann eingespielt wurde. Es zeigt in Wechselfolge Joests Aufnahmen im Vergleich mit den heutigen Ansichten: Damals Grenze – heute Grünes Band.
Das letzte Kapitel „Natur- und Heimatkundliches“ beschäftigt sich mit dem Lebenswerk des Rhönbotanikers Moritz Goldschmidt, den archäologischen Quellen zur älteren Besiedlung der Region des Geisaer Amtes, den Hutebuchen, inbegriffen die Frühstücksbuche in der Nähe des Frühstücksbuchenplatzes und mit Kräutern, ihrer Heilkraft und Bedeutung für die Menschen im ländlichen Raum, wo vor allem Hebamme und Kräuterfrau Barbara Kircher-Storch zu Wort kommt. Dazu gibt es viele Abbildungen und Beschreibungen unter dem Slogan: „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“ oder: „Was man alles mit den heimischen Kräutern anfangen kann“. Ein Video, wieder von Dieter Kiel und Andreas Waitz aufgenommen, zeigte in einem Interview mit der Naturheilkundigen, wie diese in herzerfrischender Weise ihren Werdegang zur Hebamme und zweimaligen Olitäten-Königin schilderte.
Zum Abschluss der Veranstaltung bedankte sich Maria Hruschka im Namen des Vereinsvorstandes bei Johannes Henning und Michael Kiel für den erheblichen Arbeitsaufwand bei der Realisierung der organisatorischen Aufgaben hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Verlag sowie der Sichtung aller eingesandten Beiträge und der damit verbundenen Klärungen von inhaltlichen und formellen Problemen. Dabei wurde Johannes Henning (Michael Kiel war leider nicht anwesend, bekommt aber seinen Anteil davon) ein attraktiver Präsentkorb mit Rhöner Wurstspezialitäten überreicht.
Johannes Henning begrüßte die zahlreichen Gäste
Große Resonanz im Gangolfisaal des Schlosses Geisa zur Buchpräsentation
Dieter Kiel berichtete, wie 1987 Spuren am 500-Meter-Signalzaun einen Großalarm im Geisaer Amt auslösten
Mitautor Walter Schönfeld hatte viele Befragungen durchgeführt
Zweifache Oliotätenkönigin Barbara Kircher-Storch