Geführte Wanderung zum Arzberg


Ein wunderschöner sonniger Vorfrühlingstag lockte rund 200 Natur-, Heimat- und Wanderfreunde nach Otzbach. Rudolf Nensel aus dem schmucken Rhöndörfchen hatte im Auftrag des Tourismusbüro der Stadt Geisa, zu einer Entdeckungstour auf und um den Arzberg (572,5 m) eingeladen, denn der Berg hat neben der blauen Pracht auch noch viel Wissenswertes über seine ur- und frühgeschichtliche Besiedlung zu bieten. Und die Ankündigung dazu hatte nicht zuviel versprochen. Rudolf Nensel hat akribisch genau viele Details dazu zusammengetragen und auch für jeden Teilnehmer gut verständlich an Hand von selbst gefertigten Anschauungstafeln mit viel Sachverständnis an Ort und Stelle vorgetragen. Im vorigen Jahr wurde der erste Versuch zu einer Arzberg-Exkursion gestartet, und die Resonanz, 150 Teilnehmer, bestärkten den Organisator, seine Begeisterung, sein Interesse für die Heimat vielen Gleichgesinnten näher zu bringen. Schon sehr früh war er mit seinem Vater, einem passionierten Naturschützer, in Feld und Wald unterwegs, wobei sich bei ihm ein besonderes Interesse für die Erkundung des Arzbergs entwickelte.

Bevor es jedoch zum Arzberg hinaufging, versammelte man sich an der Mariengrotte „Maria Hilf", wo 1982 unter Pfarrer Konradi und mit Unterstützung von Bischof Aufderbeck diese Andachtstätte entstand. Am Waldrand angekommen, konnten die ersten blauen Blümchen in Augenschein genommen werden, und wenig später erläuterte der Wanderführer Vorkommen, Arten, Vermehrung, Toxikologie und auch die mysteriöse Namensfindung für den Begriff Scilla. So zählen zur Pflanzengattung 50 bis 90 Arten, die neben Europa und dem Mittelmeerraum auch in Teilen Asiens zu finden sind. In Süd- und Mitteldeutschland kommt vor allem der zweiblättrige Blaustern (Scilla bifolia) vor. Außer durch die Zwiebel vermehrt sich die Pflanze durch Samen, welche einen Duftstoff absondern, der Ameisen anlockt, so dass dann diese ebenfalls zur Verbreitung beitragen. Alle Pflanzenteile, aber insbesondere die Vermehrungsträger sind giftig und können bei empfindlichen Personen Hautreizungen hervorrufen, erklärte Nensel den aufmerksamen Zuhörern. Einer Sage nach soll zur Namensfindung der Ort Scilla in der Straße von Messina sowie ein gleichnamiges Seeungeheuer mit 6 Köpfen beigetragen haben, die dortigen Blausterne tragen nämlich 6 Blütenköpfe. Später habe sich dann der allgemeine Begriff auf alle vorkommenden Arten übertragen. Nächstes Ziel war die Erkundung der Reste eines keltischen Ringwalles (2000 Jahre alt) unterhalb des Gipfels, der eine Fläche von 130 x 120m umschließt. An der südwestlich gelegenen gut ausgeprägten Toranlage wurden die notwendigen Erläuterungen mit Hilfe einer Lageskizze vorgenommen, wobei besonders auf die Schutzfunktion einer vorgelagerten „Berme", einer ebenen Freifläche zwischen dem inneren Rand des Wehrgrabens und dem äußeren Fuß des Walles eingegangen wurde. Entlang des Walles wanderte man dann zum rückwärtigen Tor. Hier erfuhren die Wanderfreunde, wie ein Riff oder eine Blockhalde entsteht. Die Blockschutthalden, auch steinerne Meere genannt, welche sich flächenhaft von einem Gipfel hinab ausbreiten, markante Beispiele hierfür sind die Milseburg und der Schafstein, sind beeindruckende steinerne Zeugen der vulkanischen Entstehung der Rhönlandschaft und charakteristisch für das Biosphärenreservat. Nun hieß es im Gänsemarsch weiter zur nächsten Station, der Pfad war schmal, und Geröll behinderte das Vorwärtskommen; also war jetzt äußerste Vorsicht geboten. Aber alle kamen unbeschadet am nächsten Zielort, den so genannten „Isekutten", an. Doch vorher überraschte Doris Heim auf halber Strecke die Teilnehmer mit einem süßen gehaltvollen Stärkungsmittel, welches gern angenommen wurde. Die eisernen Kutten, das waren die Tagebaue, wo das Erz an der Oberfläche gebrochen wurde. Aber es soll auch an gleicher Stelle schon einen Stollenabbau gegeben haben, wie Nensel betonte. Thomas Grasselt vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie hätte diesen bereits auf den Namen Schneeglöckchenstollen getauft, obwohl erst noch eine Erkundungsgrabung für die nächste Zeit vorgesehen ist. Des Weiteren wurde hier auf zwei in der Nähe liegende Grabhügel hingewiesen. Sehr wahrscheinlich sollen dort bei der Schlacht am Nebel zwischen den Bayern und Preußen 1866 (Rosatal) gefallene oder beim Rückzug verstorbene Soldaten beigesetzt worden sein. Dann machte Rudolf Nensel noch auf einen spektakulären Fund aufmerksam, eine von ihm hier gefundene Hammerhälfte, vielleicht sogar aus der Keltenzeit, wird gegenwärtig auf ihr Alter untersucht. Das nächste Thema des Rundgangs behandelte die vor rund 2000 Jahren übliche Verhüttungstechnik in Rennöfen. Aus Lehm oder Steinen errichtete man zunächst Schachtöfen von etwa 50 bis 220 cm Höhe, daneben eine Herdgrube für den Schlackenablauf. Der vorgeheizte Ofen wurde hierauf schichtweise mit dem stark zerkleinerten Erz und Holzkohle befüllt. Die Reduktion des Eisens erfolgte bei einer Temperatur zwischen 1100 und 1350 Grad. Die dabei entstehende Schlacke rann in die Herdgrube. Das Produkt, eine mit Schlacke durchsetzte Eisenluppe, auch Renneisen genannt, musste anschließend ausgeschmiedet, das heißt von Kohle und Schlackenresten befreit werden. Die Erzausbeute belief sich in der Regel auf 50%. Zur Gewinnung von 1 kg Eisen mussten 30 kg Holzkohle aufgewendet werden, und pro Verhüttungsvorgang konnten je nach Erz und Ofengröße mehrere Kilo bis zu einem Zentner Eisen gewonnen werden. Während seiner Darlegungen verwies Nensel auf einige ausgelegte Muschelkalkfunde, welche deutlich die ringförmig eingeschlossenen rostfarbenen Erzanteile zeigten. Interessant ist auch zu wissen, dass die hier beschriebene Technologie in Mitteleuropa mehr als 3000 Jahre Anwendung fand und erst in der Neuzeit durch Hochöfen verdrängt wurde.

Auf zur letzten Station hieß es nun, und die war ganz in der Nähe, ziemlich am Fuße des Berges gelegen und ganz einfach da, wo Wasser geschöpft werden konnte, welches zur Betreibung eines Holzkohlenmeilers unumgänglich ist. Damit wurde auf eine später gefasste Quelle verwiesen, welche Otzbach mit Wasser versorgte, bis der Ort an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen worden war. Heute habe die Köhlerei in Deutschland keine große Bedeutung mehr. Seit dem Altertum war sie jedoch wegen ihrer hohen Hitzeerzeugung auch für die Glasherstellung unverzichtbar, besonders für die Gebiete ohne Kohlevorkommen, wusste Nensel zu berichten, ehe er den Bau und Betrieb eines Meilers beschrieb. Zuerst wird ein Schacht mittels drei senkrecht in den Boden eingelassener Stangen gebildet. Rund um diesen Quandelschacht wird das zu verkohlende Holz aufgeschichtet, aus Holz Laub oder Stroh ein Dach gebaut und die gesamte Konstruktion mit Erde luftdicht bedeckt. Die Entzündung des Holzstoßes erfolgt durch Einfüllen von glühender Holzkohle in den Schacht. Der Verkohlungsvorgang selbst wird durch Öffnen oder Schließen von kleinen Löchern in die Erdhöhle geregelt. Je nach Größe des Meilers dauert die gesamte Prozedur vom Aufbau des Stoßes bis zur Löschung der Holzkohle zwei bis vier Wochen.

Die Wanderung fand ihren Abschluss in der Werkstatt der Firma Metallbau Nensel in Otzbach, wo die Exkursionsteilnehmer mit einem kleinen Imbiss und diversen Getränken von Frau Nensel und Doris Heim versorgt wurden. Außerdem konnten interessierte Gäste an den präsentierten Anschauungstafeln die einzelnen Stationen noch einmal Revue passieren lassen sowie eine kleine Ausstellung von Versteinerungen aus dem Muschelkalk bzw. Erz- und Basaltfunde vom Arzberg, den Vulkanen Ätna (Sizilien) und Teide (Teneriffa), ein Dinosarierzahn von Mexiko oder Kalisteine betrachten und, nicht zu vergessen, ein Gedicht von Rudolfs Vater über die Rhönheimat lesen.

Zur Information

Die Arzbergtour (auch ohne Scillablüte) kann für Wandergruppen und speziell auch für Schulklassen zur Unterstützung des Sachkunde- oder Geschichtsunterrichts im Tourismussbüro Geisa bei Frau Pagel ganzjährig für 35,-Euro gebucht werden.

Text und Foto: Manfred Dittmar


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